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Ein Spottgedicht auf hessische Soldaten, Dr. Theo Bönemann
Das erstmals hier veröffentlichte anonyme und undatierte Gedicht (Hofarchiv, Eigentum der Familie Schulte-Horst, Balve) besitzt auf Grund seines inhaltlichen Bezuges zu einem Kriegsereignis einen hohen Stellenwert. Ob es erlebte Kriegshandlungen, ins Hochdeutsche übertragene Verse oder einen Rückblick auf einen zurückliegenden Krieg mit marodierenden Soldaten darstellt, bleibt ebenfalls offen. Als kriegerischer Hintergrund des Gedichtes bieten sich die Truchsessischen Wirren, der Sieben- oder der Dreißigjährige Krieg an. Die sorgfältige Handschrift legt die Jahre 1760-1780 als Zeit der Niederschrift nahe. Die benannten Personen bieten bislang keine Ansätze, das Dokument zeitlich genau einzuordnen. „Die Räuber-Flucht im Hönnen Tahl“ ergänzt die wenigen Nachweise und Hintergründe eines lokalen Kriegsschauplatzes im kurkölnischen Sauerland als eine wertvolle Quelle. Die Leiden und die Wertevorstellungen einer Landbevölkerung in Kriegszeiten werden in der wenig genutzten Form eines Gedichtes, die gelegentlich unvollkommen ist, angesprochen. Die hessischen Soldaten werden wegen ihres verwerflichen Auftretens zum Teufel gejagt und in besonderer Weise verspottet. Schließlich flüchten sie in die steilen Felsen des Tales und bitten die von ihnen geschundenen Bauern um ihr Leben. Rettung versprach die Flucht ins märkische Nachbarland.
General Gebhard Truchsess von Waldburg, 1547-1601, Kurfürst zu Köln 1577-1583, hatte nach seiner Konversion vergeblich versucht, das kurkölnische katholische Sauerland zum calvinistischen Glauben zu zwingen und das Erzstift Köln in ein weltliches Fürstentum zu verwandeln. Erbitterter Gegner war Hermann von Hatzfeld (1530-1600), Schloßherr zu Wocklum bei Balve. Aus Rache ließ Truchsess 1583 dessen Häuser niederbrennen, das Haupthaus in Wocklum und möglicherweise den Vorgängerbau des heutigen Drostenhauses in Balve.
Gelegentlich wurde das Sauerland als „Schongebiet“ während des Dreißigjährigen Krieges bezeichnet (1618-1648), ein inzwischen revidierter Irrtum. Das kurkölnische Herzogtum Westfalen litt insbesondere unter schwedischen und hessischen Truppen, unter „streiffenden rotten“ sowie der Suche nach Quartier- und Rekrutierungszonen. Die Schadensmeldungen aus den Gerichten legen davon deutlich Zeugnis ab: Der Mendener Richter Schmidtmann mußte gegen fünf Reiterkompanien zusätzliche Berufsschützen aus der Nachbarschaft Balve anfordern. Der Kurfürst von Köln befahl 15 Berufsschützen des Amtes Balve zum Schutz des Hauses Wocklum. Als kaiserliche und hessische Truppen vor Menden standen, schrieb der Pastor Stracke in sein Tagebuch: „Wir sind in großer Gefahr, da die Papenheimschen Soldaten alle Orte, Felder, Städte, Dörfer und Schlösser ohne Respekt und Religion zerstören.“ Das Haus Eisborn sowie Klusenstein im Hönnetal wurden geplündert. Im Jahre 1635 besetzten die Hessen Balve und die umliegenden Dörfer. 1636 bat der Amtsdroste zu Balve die Befehlshaber in Arnsberg wiederholt um Linderung und Schonung seiner Ortschaften im unerträglichen Kontributionswesen. Im Jahre 1643 fielen erneut hessische Truppen in Balve ein.
Im Jahre 1644 war das gesamte Herzogtum Westfalen in den Krieg einbezogen; lediglich in Balve, Werl und Arnsberg waren noch Quartier– und Kontributionsplätze frei. Zahlreiche Orte waren inzwischen verwüstet, unbewohnbar und verödet. Die meisten Höfe waren verlassen. Häuser, die dörflichen Umgebungen, schützendes Buschwerk und Nutzholz waren niedergebrannt und die Einsaat niedergetrampelt. Obstbäume waren gefällt sowie Haus- und Wirtschaftsgeräte zerstört worden. Im November 1640 berichtete das Amt Balve an den Kurfürsten, man sei völlig ausgeraubt, da der Krieg nicht nur täglich, sondern alle Stunde gegenwärtig sei. 135 Wohnstätten lagen wüst. In den südlichen Ortschaften des Amtes Menden waren insgesamt 19 Höfe von 26 Höfen aufgegeben worden. Entsprechend war die Einwohnerzahl in Balve und Affeln auf etwa 50 Prozent gefallen.
Der Siebenjährige Krieg (1756-1763), an dem alle europäischen Großmächte und Kleinstaaten beteiligt waren, der in Mitteleuropa, Nordamerika, Indien, der Karibik und auf den Weltmeeren ausgefochten wurde, könnte auch den Hintergrund der „Räuber-Flucht im Hönnen Tahl“ liefern. In diesem Falle wartet die regionale Literatur mit lediglich wenigen aufschlussreichen Meldungen auf: Im Jahre 1758 lagern hessische Truppen in Arnsberg, und in Sundern preußische Husaren sowie in Arnsberg 5 Kompanien hessischer Grenadiere. Über Einfälle in das Hönnetal ist nichts bekannt.
Wenngleich die zeitliche Einordnung des Gedichtes unter inhaltlich exakten Zeitangaben leidet, so ist sein Inhalt doch sehr bemerkenswert: Die Region Hönnetal war immer wieder Schwerpunkt marodierender Soldaten und in Kriegszeiten kein Schongebiet. In dem Gedicht wird beispielhaft General Hesse genannt; für seine im Hönnetal gesetzeslosen, unnachsichtigen und marodierenden Horden galt er als Held. Doch wie in alten Zeiten widersetzten sich die stolzen und „berühmten“ Einwohner erfolgreich ihren Plünderungen und verjagten sie. Diesen blieb lediglich übrig, kopflos auf die nahen Felsen zu flüchten und dort um ihr Leben zu betteln. Wer sein Leben auf Hass und Rechtsbruch aufgebaut hat, hat es schließlich verdient, vor das Tor gejagt und zum Teufel geschickt zu werden. Die spätere Geschichte sollte zeigen, dass die Hessen zu Beginn des 19. Jahrhunderts noch einmal, jedoch für einige Jahre (1803-1816), als Landesherren zurückkehren sollten.
Die Räuber-Flucht im Hönnen Tahl
Schaut, schaut, auf und ab, bald kömmt General Hesse, in vollem Trab.. hört Ihr nicht, die Trommel schlagen, wie Er alles duth, zusammenjagen. O, we – hier bleibt ja keiner frey, darunter muß, die ganze Faberickerreÿ, denn Hammerschmiede, und Leinenweber, sollen auch Ihr Leben zum Opfer geben. Schauderhaft, sith man der Rotte entgegen, denn es heißt, bey Ihnen, Todt oder Leben. Sehet da wie Er auf seinem Roß flankirt als tapferer Hält, foran marschirt, Er ziehet herab, den Hönnen Tahl, mit Provesionnisten, von mancher Zahl. O we – Ihr armen Bauern man sollte Euch zu for bedauern. eh mann tritt in das Gefächt, den hier gilt nicht mer daß Recht. bey stolzen Menschen von schlechter Ehr, die suchen Ihr Recht mit dem Gewehr. So war es auch, vor alter Zeit, wo man gewann das Recht durch den Streit Und wo Räuber mächtig sind an der Zahl, da leidet man, am Eigenthum auch noch Gefahr.
Er befahl, mit großer helden Muth zu folgen der Hönnen Fluth. da versprag er große Beute, daran gedachten seine Leute. Jetzt zog man auch mit froher Muth, um zu erbäuten främdes Guth. Doch hallt hier irte er sich sehr mann stellte sich dorten auch zur wehr anstadt der erharschten Beute, verlohr Er gewehr und Leute. Da rief Er um gottes willen um Erbarmen, und fihl dem feinde in die Arme Er schwur in der Noth, bey seiner Ehr, daß Er ein Bursche schlechter streige währ. Der Eine floh hin, der Andere her, und keiner stellte sich zur währ, Man sa sie, an steilen Felsen sitzen, und verzweifelt vor Angst schwitzen, Sie riefen in Angst und Bäben um Schonung Ihres Leben. Sein Bruder der Adjudant, nam die Flucht von dem Land. Er schwamm durch die Honnen Fluth, dadurch ging es dem Stockfisch auch noch guth. O – behaupteten, doch alle Colonen so ihr Recht, dann ging es den Schurken entlich schlecht.
Suy du stolzer Bursche ohne Befähl der Ehr willst du streiten, gegen Recht mit dem Gewähr es ist für dich ja eine Schande, man spricht davon im ganzen Lande, daß du mit deinem Bluthe trachtest, nach främdem Guthe. Du bist fürwahr nicht mer, der, dem mann gibt die Ehr. Denn einjeder sieht dich an, daß du hasst unrecht gethan.
Du wolltest sogar deine Leute verpflichten mit gewallt, daß Recht zu zernichten. Doch fieleich kennst du dieses nicht, wie man aus Erfahrung spricht. Wer dem Hass zu viel vertraut, hatt auf Staub und Sand gebaut, denn keine Seele seht so fest, die sich nicht bewegen lässt. Heute hebt man dich empor, Morgen jagt man dich vors Thor. Und so geht das Hassgeläutt bald vor sich, und bald zurück. Du bisth ja noch fürwahr, ein Schmetterling geringer Zahl.
Ein großer, Adeliger Herr, wens doch der Lansberg währ, hatt zeit kurzen Jahren, von Wocklum viehl erfahren. Mann sagte Ihm schon allgemein, daß dorten lauter Schurken seyn. Denn ein alter schlauer Herr, war der Herr von allein. Dabey machte er sich so beliebt, als sey Er nicht der größte Dieb. Doch wurde es der Lansberg auch gewar, daß seine Sache litt Gefahr. Da schickt er von Brielon aus, den Freyher H. Ihm ins Hauß Um der Sache nachzusehen, daß Er wollte besser stehen. O Watt der Düfel wa ist dat, den nie de Herr so geschickt hat. Soll he wol sein en kloken Mann, de nie dat Brod nemmen kann.
Das Ding wird Ihm schlecht bekommen, deshalb, hat Er die Flucht genommen. Waß Düfel, waß will daß geben, doch halt, daß nimt auf sich der Grewe Da kömmt he wider an. H. Guthen Tag, Herr Schwieger Papa Der Düfel führe aus, euren Plan beina hätte es mir gekostet das Leben und sollte ich daß, für eure Tochter geben. Der Düfel fasse euch alle beim Kragen, wenn ich mich wider soll, mit Bauern schlagen denn man spricht davon im ganzen Lande, daß es sey für mich eine Schande. Dadurch, habe ich verlohren meine Ehr, ich wollte daß Er beym Teufel wär. Mann spricht sogar allgemein, daß wir beide Schurken seyn. und damit ist es noch nicht aus, Mann jagt mich noch zum Tohr hinaus.
Und für dein Br ... schände (?) Leben wird der Bauer wenig geben, so dachten die ädeln Männer am Hönnethal sie waren tapfer, und mächtig ohne Zahl. Sie behaupteten, und stritten für Ihr Recht, da ging es dem Schufte entlich schlecht.
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